Die Harvestehuder und die Flüchtlinge
Nach einem dornenreichen Weg und monatelangen Gerichtsverfahren sind nun auch in Harvestehude die Schutzsuchenden an- und untergekommen. Wie im Hamburger Abendblatt berichtet, scheinen die Einheimischen eher neugierig auf die ankommenden Nachbarn zu sein. Und die "Heimbewohner" haben keine Zeit sich die Umgebung anzusehen.
Das wollen wir mit einem kleinen Rundgang für Sie tun und die deutsche Geschichte am Wegesrand einfließen lassen. Harvestehude und Pöseldorf hat mehr davon zu bieten als gedacht.
Schaukel statt Waffen
Wir starten an der Unterkunft, die für die nächsten 10 Jahre Schutzsuchenden ein Heim sein soll. Die Spielgeräte geben dem früheren Kreiswehrersatzamt einen friedlichen Flair und nehmen dem Gebäude seine Strenge. Dass in dem Amt, in dem sich einst junge Männer zum Wehrdienst melden mussten, nun Familien mit Kindern aus den unterschiedlichsten Nationen wohnen, ist sicherlich nicht die schlechteste Umnutzung.
Zen statt Stress
Nur wenigen Meter den Mittelweg hinunter schlendernd, zeigt sich Harvestehude mit einem Zengarten weltoffen und international.
Buddhas wirken in sich ruhend und beruhigend. Bei näherer Betrachtung entdeckt man allerdings die Preisschilder und es wird offenbar, dass sie nicht der ursprünglich religiösen Bestimmung, sondern dekorativen und represäntativen Zwecken dienen.
Die erste Einführung in das Harvestehuder Lebensgefühl.
Notruf 110 = Mustervilla
Im Abendblattartikel steht, dass die neuen Bewohner sich erst einmal an die Mülltrennung gewöhnen müssen und nach dem Ämtergang die Deutsch- und Integrationskurse besuchen werden. Hier werden sie sicherlich viel Nützliches lernen, wie den Polizeinotruf.
Dass sich hinter der 110 allerdings eine Mustervilla verbirgt, scheint eine örtliche Besonderheit zu sein. Das lernt man schon nach wenigen Metern Richtung Pöseldorf.
Die Sophienterassen, von dem Modedesigner Lagerfeld gestaltet, schließen sich hinter der Mustervilla an. Das glänzende Schild erinnert an gute alte deutsche Reklame und eine deutsche Tugend: die Reinlichkeit.
"..., dass man sich drin spiegeln kann...!"
Hinab zur Alster spazierend, stoßen wir auf die traditionellen Hamburger Kaufmannsvillen. Und damit auch auf deutsche Geschichte.
Das Budge Palais - wo die Musik spielt
Das Alstervorland, das bis in die 1950 er Jahre Privatgärten waren, entlangschlendernd genießt man den Anblick der schloßgleichen Kaufmannsvillen.
Nach wenigen hundert Metern liegt auf der rechten Seite die Musikhochschule.
1904 - 1914 ließ der Bankier Henry Budge die vom Rathausarchitekten Haller errichtete Villa auf 50 Zimmer ausbauen und machte sie mit Ihren Ausstellungsräumen und dem Musik- und Theatersaal zum Mittelpunkt der Hamburger feinen Gesellschaft.
Obwohl seine Witwe die Villa der israelitischen Gemeinde vererbte, okupierte der NSDAP Gauleiter Karl Kaufmann sie 1937 und sie wurde zu seinem Sitz als Reichsstatthalter.
Hier stößt man nicht das einzige mal auf die unrühmliche Deutsche Geschichte im Stadtteil.
Wir steigen nicht den sanften Berg nach Pöseldorf hinauf, sondern gehen noch ein Stück bis zum US Generalkonsulat.
Harvestehude als Machtzentrum
Was heute wie eine Kopie des Weissen Hauses aussieht, waren ursprünglich zwei Hamburger Villen. 1880 erbaute Martin Haller die linke und 1893 die rechte Villa.
Anton Riedemann, der Gründer der "Deutsch - Amerikanischen Petroleumgesellschaft", die später ESSO wurde, erwarb beide Häuser für seine Familie.
1934 wurden die Palais vereint und als Gauleitung der NSDAP umgenutzt.
Mit dem Budgepalais und der Kaserne am Harvestehuder Stieg war Harvestehude damit das Machtzentrum des Dritten Reiches in Hamburg.
1951 wurde das Gebäude zum Generalkonsulat der USA und erhielt die säulengeschmückte Auffahrt, die bis heute an das Weiße Haus erinnert.
Gedanken und Gedenken
Die Hauptkirche von Harvestehude ist die St. Johannis Kirche. An ihrem Portal ist eine Tafel angebracht, die uns an unsere Geschichte erinnert und uns lehrt, weshalb Deutschland in seinem Grundgesetz das Asylrecht verankert hat, und Schutzsuchende aufnimmt:
"1933 lebten in Hamburg fast 20.000 jüdische Bürger - 1945 waren es 945.
Wir schwiegen, als sie entrechtet, verjagt und vergast, und ihre Synagogen zerstört wurden.
Wir bitten um Vergebung und Schalom".
Das Dorf in der Stadt
Hinter den Villen, in Pöseldorf, wohnten die Bediensteten und Handwerker in kleinen Häuschen, um die Kaufmannsfamilien zu ver- und umsorgen.
Dies war sicherlich kein Idyll, sondern bot günstigen Wohn- und Werkraum. So zogen in den 1960 er Jahren Studenten und Künstler in das kleine Refugium. Wie in Eppendorf, St. Georg oder der Schanze wurde aus dem Rückzugsort bald ein begehrtes Stadtviertel. Die Preise zogen an und die Bewohner und das Publikum änderte sich. Heute ist das Flair zwischen britisch und skandinavisch - also international. Nur die Bewohner wirken eher Deutsch. Hier können die neuen Anwohner das Bild nur bunter machen.
Dies ist ein kleiner Auszug aus unserer Harvestehude / Pöseldorf Führung, sollten Sie Interesse bekommen haben, melden Sie sich einfach bei uns und buchen Sie eine private Führung:
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